Die Absolventen der Berliner Artistenschule präsentieren unter dem Titel „High Voltage“ atemberaubende Kunststücke. Aber es gibt es auch reichlich Witz und Poesie.

Im Dunkeln klettert ein Mann mitten im Publikum einen hohen Mast hinauf – nur, um dann in Sekundenbruchteilen kontrolliert hinunterzustürzen. Das Publikum hält den Atem an und bejubelt den Artisten. Getreu des Mottos „Es gibt keine Grenzen“ scheint der Artist mit seiner Akrobatik die Gesetzmäßigkeiten der Erdanziehung außer Kraft zu setzen. Sebastian Stamm heißt der junge Künstler, der den Auftakt der Absolventenshow der staatlichen Artistenschule Berlin gibt. Elf Artisten präsentieren dabei mit dem Bühnenprogramm „Grammophobia“, des Schweizers Philipp Boë, außergewöhnliche Körperkunst.

Wie es der Titel erahnen lässt, spielt das Grammofon eine zentrale Rolle in der Aufführung. Es hat einen gewissen Zauber an sich, denn mit seinen knisternden Klängen kommen elf extravagante Figuren auf die Bühne, die nach dem Trichter des Grammofons tanzen müssen. In ihren jeweiligen Paradedisziplinen fordern sich die Künstler gegenseitig zu Höchstleistungen auf.

Das Bühnenbild, die Kostüme und die musikalische Untermalung erinnern zumeist an die 1920er- und 1930er-Jahre, bieten zwischendurch aber auch immer wieder moderne Aspekte. Dabei passen sich die Bewegungen der Künstler magisch an den Rhythmus der Musik an.

Nach der Leichtigkeit Sebastian Stamms folgt eine komödiantische Partner-Akrobatik der beiden Künstler Mario Kunzi und Joschka Schneider. Sie demonstrieren durch artistische Prügel- und Versöhnungseinlagen die Höhen und Tiefen ihrer Freundschaft. Anschließend wirbelt Moritz Haase am Trapez über den Köpfen des Publikums.

All diese akrobatischen Elemente sind mit komödiantischen Überleitungen geschmückt. So tanzt ein Künstler im Tütü Ballett. Als sterbenden Schwan schwebt er über die Bühne. Ein anderes Mal spielt er in einem hautengen roten Abendkleid mit einem überdimensional großen roten Hut eine elegante Frau. Auch die Kleidung ist mitunter so ausgefallen, dass sie aus einer anderen Welt zu stammen scheint. All zu ernst nehmen sich die Künstler bei dieser Schau aber nicht – und das zur Freude des Publikums.

Auch ein Hauch von Erotik verbirgt sich in mancher Szene. Anissa Elakel, lediglich in Unterwäsche und mit High Heels bekleidet, zeigt mit ihrer Handstand-Nummer, dass ein Sofa mehr bietet als nur Sitzgelegenheit. Während der Show geben Schallplatten den Ton an. Immer wieder verstummen sie – und mit ihnen blieben die Künstler stehen. Das Grammofon beherrscht eben die Artisten.

Nach der Pause demonstriert Nico Leist sein Gleichgewicht auf dem Schlappseil. Dabei ist er nicht nur zu Fuß, sondern auch auf dem Einrad unterwegs, während er mit Kegeln jongliert. Das kann auch Donial Kallen, der seinen ganzen Körper einsetzt – Hände, Stirn, Arme oder Kniekehlen.

Den Abschluss machen die drei „Funky Monkeys“, die an den Anfang der Show anknüpfen und am Mast empor klettern und reichlich Beifall ernten.

 

Text und Foto: Sandra Gallbronner, Augsburger Allgemeine